am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

„Rassismus zu verlernen, ist ein aktiver Prozess“ – Prof. Dr. Karim Fereidooni war für einen Vortrag zum Thema Rassismuskritik zu Gast an der JLU Gießen

07.06.2025

4. Juni 2025

Am Dienstag, den 4. Juni 2025, luden die Arbeitsstelle Holocaustliteratur (AHL), das College of Liberal Arts and Sciences (CLAS) und das Zentrum für Lehrkräftebildung der JLU Gießen (ZfL) zu einem Vortrag von Prof. Dr. Karim Fereidooni in den Margarete-Bieber-Saal der JLU Gießen ein. Nach einleitenden Worten durch Prof. Dr. Alexander Goesmann, Vizepräsident für Studium und Lehre and der JLU Gießen, sprach der Erziehungswissenschaftler unter dem Titel „Rassismuskritik: Was muss ich wissen? Was kann ich tun? Was kann meine spezifische Institution leisten?“ vor einem Publikum aus Studierenden, Lehrpersonen und weiteren Interessierten über aktuelle Herausforderungen und notwendige Strategien im Umgang mit Rassismus.

Prof. Dr. Karim Fereidooni, Inhaber der Professur für die Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum, forscht seit vielen Jahren zu institutionellem Rassismus, insbesondere in den Bereichen Schule und Polizei. In seinem Vortrag betonte er, dass Rassismus keine Randerscheinung, sondern tief in gesellschaftlichen Strukturen verwurzelt ist und sich im Alltag u.a. in Form von Zuschreibungen, Ausschlüssen und Normalisierungen zeige. Dabei sei Rassismus nicht nur auf vermeintlich biologische Merkmale beschränkt, sondern manifestiere sich längst auch als sogenannter „Neo-Rassismus“, etwa durch die Betonung kultureller Differenzen.

Anhand zahlreicher aktueller Studien zeigte Fereidooni auf, dass rassistische Denkmuster in allen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lagern verbreitet sind. „Jeder Mensch besitzt rassistisches Wissen“, erläuterte er. Es handele sich um ein durch Sozialisation erlerntes Wissen, das jedoch durch aktives Handeln auch verlernt werden könne. Rassismuskritische Bildung beginne daher mit der Selbstreflexion, so Fereidooni.

Ein besonderes Augenmerk galt auch dem Spannungsfeld zwischen individueller Verantwortung und institutioneller Verpflichtung: Rassismuskritik dürfe nicht länger an marginalisierte Gruppen delegiert werden, sondern müsse als gemeinsame Aufgabe aller innerhalb einer Institution verstanden werden. In diesem Zusammenhang sprach sich Fereidooni deutlich für die verbindliche Verankerung rassismuskritischer Module im Lehramtsstudium aus. Bildungseinrichtungen müssen strukturelle Maßnahmen ergreifen, um angehende Lehrkräfte und Multiplikator:innen schon frühzeitig mit Professionskompetenzen in Bezug auf Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit auszustatten. Die Möglichkeiten dafür bestünden etwa in der Etablierung und Aufnahme von Antidiskriminierungsstellen und Antirassismusstrategien, Fortbildungsangeboten, diversitätssensiblen Curricula und verbindlichen Verhaltenskodizes.

Im abschließenden Diskussionsteil wurden zahlreiche Fragen aus dem Publikum aufgegriffen, die von konkreten Handlungsmöglichkeiten in Bildungseinrichtungen bis hin zur Rolle von Sprache, Biografiearbeit, Errichtung und Erhaltung von Safe-Spaces und Empowerment im Kontext von Rassismus reichten. Fereidooni unterstrich dabei erneut die Notwendigkeit, persönliche Gespräche zu suchen, differenzierte Auseinandersetzungen zu führen und auf die Perspektiven rassismuserfahrener Menschen zu hören.

Die Veranstaltung wurde von den Organisator:innen als wichtiger Impuls für die weitere Arbeit an der Schnittstelle von Bildung, Gesellschaft und Rassismuskritik gewürdigt. Jedenfalls wurde an dem Abend deutlich: Rassismus zu verlernen ist kein punktuelles Projekt, sondern ein lebenslanger, bewusster und aktiver Prozess für Einzelne wie für Institutionen.


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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
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