am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Kellner-Tagebücher

Friedrich Kellner

Friedrich Kellner
Friedrich Kellner

Der Laubacher Justizinspektor Friedrich Kellner (1885-1970) schrieb von 1939 bis 1945 ein Tagebuch, in dem er die Entwicklung von Politik und Propaganda der nationalsozialistischen Diktatur dokumentierte und diese kritisch kommentierte (zwei Einträge stammen aus dem Jahr 1938). Diese herausragende historische Quelle wurde zwischen 2005 und 2011 an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur in Zusammenarbeit mit Prof. Robert Scott Kellner (Collegestation, Texas) und Prof. Jörg Riecke (Universität Heidelberg) ediert und ist Ende Juli 2011 in zwei Bänden im Wallstein Verlag erschienen.

Der Sozialdemokrat Friedrich Kellner begegnete dem NS-Regime von Anfang an mit Ablehnung und Abscheu. Seit 1933 war er Justizinspektor im oberhessischen Laubach und verfolgte die Politik der neuen Machthaber intensiv und mit großem Misstrauen. Seit Kriegsbeginn führte er regelmäßig Tagebuch und hielt zunächst vor allem die Haltung und Reaktionen seiner Mitbürger fest. Mehr und mehr konzentrierte er sich darauf, die Propaganda zu dokumentieren und kritisch zu hinterfragen.

Friedrich Kellner zeigt in seinen Tagebüchern, wie Zeitgenossen allein durch eine wachsame Lektüre der offiziellen Propaganda und eine kritische Sichtung der offiziellen Rhetorik den wahren Charakter der Diktatur erkennen konnten. Er las aufmerksam die Presse, klebte zahlreiche Zeitungsausschnitte in sein Tagebuch und kommentierte sie dort in einer einfachen und direkten Sprache. Die Dokumentation der Wirkung der doch meist leicht durchschaubaren Propaganda auf seine Mitbürger war Kellner ein besonderes Anliegen. Überdies zeigen auch Kellners Tagebücher, wie viel man bereits damals von den zentralen Massenverbrechen des Regimes wissen konnte. Kellner verstand die versteckten Andeutungen in der Presse, setzte sie in Verbindung zu anderen Informationen und den lokalen Ereignissen und kam so zu weitreichenden Erkenntnissen.

Mit der Edition wird der Öffentlichkeit eine Quelle zugänglich gemacht, die für die Erforschung und das Verständnis der Geschichte der NS-Diktatur und ihrer Volksgemeinschafts-Ideologie wichtig ist. Die Kenntnisse über den NS-Staat und seine Propaganda, ihre lokalen Wirkungen und Ausformungen sowie über Grenzen und Möglichkeiten regimekritischen Verhaltens werden durch sie vertieft und differenziert.

Friedrich Kellner: "Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne". Tagebücher 1939-1945. (2 Bde.) Herausgegeben von Sascha Feuchert, Robert Martin Scott Kellner, Erwin Leibfried, Jörg Riecke und Markus Roth. Unter Mitarbeit von Elisabeth Turvold und Diana Nusko sowie Nassrin Sadeghi und Birgit M. Körner. Göttingen: Wallstein 2011 (mittlerweile 7. Auflage).

Aufsätze zu den Kellner-Tagebüchern

Körner, Birgit Maria u. Nassrin Sadeghi: "'Ich konnte die Nazis damals nicht in der Gegenwart bekämpfen. Also entschloss ich mich, sie in der Zukunft zu bekämpfen.' Die Edition der Tagebücher Friedrich Kellners an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur Gießen". In: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 49 (2010). Heft 193, S. 136-143.

Roth, Markus: Chronist der Verblendung. Friedrich Kellners Tagebücher 1938/39 bis 1945. Bonn 2009 (= Friedrich-Ebert-Stiftung. Reihe Gesprächskreis. Heft 83). PDF-Download

Nusko, Diana: Die Tagebücher des Friedrich Kellner – Transkription & Analyse. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Gießen 2007.

Medenwald, Nikola u. Diana Nusko: „Jeder Mensch hat die Wahl zwischen Gut und Böse. Wähle das Gute und stelle Dich gegen die, die das Böse wählen.“ Schreiben als Widerstand – die Tagebücher Friedrich Kellners. In: Sascha Feuchert/Joanna JabÅ‚kowska/Jörg Riecke (Hg.): Literatur und Geschichte. Festschrift für Erwin Leibfried. Frankfurt am Main u.a. 2007. S. 127-135.

Löw, Andrea: „Ein Blick in die Zeitungen zeigt uns das Wesen der Propaganda“. Tagebücher Friedrich Kellners werden an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur ediert. In: Giessener Universitätsblätter 39 (2006). S. 99-103.

Kellner-Tagebücher in den Medien

Seit dem Erscheinen des Tagebuchs von Friedrich Kellner,  das seit 2005 an der Arbeitsstelle ediert wurde und im Juli 2011 im Wallstein-Verlag erschienen ist, sind zahlreiche Presseberichte, Rezensionen, Radio- und Fernsehbeiträge zur Edition erschienen.

Presseberichte und Rezensionen:

  • Süddeutsche Zeitung, 14.06.2011 (Copyright by Süddeutsche Zeitung)
  • DIE ZEIT, 22.06.2011, Markus Roth porträtiert Friedrich Kellner und sein Tagebuch
  • Gießener Allgemeine Zeitung, 23.07.2011 (Copyright by Gießener Allgemeine Zeitung)
  • Gießener Anzeiger, 26.07.2011 (Copyright by Gießener Anzeiger)
  • DIE ZEIT, 28.07.2011, Interview mit Peter Longerich (Copyright by DIE ZEIT)
  • taz, 06.09.2011
  • Frankfurter Neue Presse, 01.08.2011 (Copyright by Frankfurter Neue Presse)
  • Eßlinger Zeitung, 06./ 07.08.2011
  • Westfälische Rundschau, 30.08.2011
  • Tagesanzeiger (Zürich), 15.09.2011
  • vorwärts, 20.09.2011
  • Der Spiegel, 01.10.201
  • uk.Reuter.com, 12.10.2011
  • Süddeutsche Zeitung, 09.11.2011 (Augsteins Auslese)
  • FAZ, 16.01.2012 (Copyright by Frankfurter Allgemeine Zeitung)
  • factum, 3/2012 (Copyright by factum)
  • Die Presse.com, 25.05.2012
  • sehepunkte, 6/2012 (Copyright by sehepunkte)
  • Der Tagesspiegel, 18.06.2012 (Copyright by Der Tagesspiegel)
  • Kultur und Kritik 4/2012 (Copyright by Kultur und Kritik)
  • litrix, 9/2012

Radiobeiträge:

  • WDR3, Sendung "Resonanzen", 26.07.2011. Gespräch mit Markus Roth.
  • WDR5, Sendung "scala", 28.07.2011. Gespräch mit Markus Roth.
  • SWR2, Sendung "Die Buchkritik", 01.09.2011. 
  • BR2, Sendung "Kulturjournal", 19.09.2011. 
  • HR2, Sendung "Kulturfrühstück", 02.10.2011.
  • HR4, Sendung "Hessische Geschichten", 09.10.2011.
  • BBC, "Radio5 live", 13.10.2011. Gespräch mit Sascha Feuchert.
  • Deutschlandradio, Sendung "Lesart", 13.11.2011. 

Fernsehbeiträge:

  • ARD-Kulturmagazin "Titel - Thesen - Temperamente", 31.07.2011.

Bestenlisten:

  • September 2011: Auf der Liste der "Sachbücher des Monats", die jeden Monat neu von der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, dem Buchjournal, dem Börsenblatt und dem Telepolis präsentiert werden, erreichen die Tagebücher im September den achten Platz.
  • Oktober 2011: Die Fachzeitschrift "Damals" hat im Wettbewerb um das "historische Buch des Jahres" die Tagebücher mit dem ersten Platz in der Kategorie "Autobiographisches" ausgezeichnet.
  • November/Dezember 2011: Die Zeitschrift "Literaturen" würdigt die Tagebücher mit einem sechsten Platz auf der Bestenliste für November/Dezember.
  • Dezember 2011: Auf der Liste der "Sachbücher des Monats" (Süddeutsche Zeitung, Norddeutscher Rundfunk, Buchjournal, Börsenblatt und Telepolis) erreichen die Tagebücher im Dezember den sechsten Platz.

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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
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