am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

„Eine jüdische Kindheit im Widerstand“ – Wolfgang Benz und Sascha Feuchert stellten in Berlin den Bericht „Henech. Ein jüdisches Kind, das dem Ghetto entkam“ vor

05.06.2024

Aufzeichnung der Buchvorstellung auf dem YouTube-Kanal des Literaturforums im Brecht-Haus verfügbar

Am 28. Mai 2024 sprachen der Historiker Prof. Dr. Wolfgang Benz und Prof. Dr. Sascha Feuchert im Literaturforum im Brecht-Haus in Berlin über Jacob Pats Bericht „Henech. Ein jüdisches Kind, das dem Ghetto entkam“. Das Werk, das im Mai 2024 als 13. Band der gemeinsamen Schriftenreihe der Ernst-Ludwig Chambré-Stiftung zu Lich und der Arbeitsstelle Holocaustliteratur erschienen ist, dokumentiert das kurze und bewegte Leben eines jüdischen Jungen namens „Henech“, dem im Mai 1943 die Flucht aus dem Warschauer Ghetto durch die Kanalisation gelang. Die Veranstaltung war Teil der Programmreihe „Lebenszeugnisse“, zu der Benz Zeitzeug:innen, Hinterbliebene und Forschende einlädt, um über die jüngere deutsche Geschichte aus dem subjektiven Blickwinkel von Einzelschicksalen zu sprechen.

Es handele sich um ein „schmales Buch“ mit einer „überaus komplizierte[n] Geschichte“, betonte Benz zu Beginn der Veranstaltung. Denn der Weg, den der Bericht nahm, um überhaupt und auch heute erstmals auf Deutsch zu erscheinen, war lang. Seinen Überlebensbericht schrieb der damals 13-jährige Henech 1944 in einem dunklen Kellerversteck nieder. Die Aufzeichnungen wurden später in den Ruinen des Warschauer Gettos gefunden. Nach dem Krieg gelangten sie über Marek Edelman (1919-2009), einen der wenigen überlebenden Kommandeure des Warschauer Ghettoaufstands, an den jüdischen Schriftsteller Jacob Pat (1890-1966). Dieser nahm sich des Vermächtnisses Henechs an und beschloss, die Ereignisse unter Verwendung originaler Textpassagen literarisch auszugestalten, um den Bericht für die Nachwelt zu erhalten. Das jiddische Original erschien 1948 in Buenos Aires (Argentinien) in der von Mark Turkow herausgegebenen Reihe „Dos poylishe yidntum“. Nun hat der Historiker Frank Beer mit „Spürsinn“ und „Finderglück“, wie Benz lobte, diesen einzigartigen Bericht wiederentdeckt und wesentlich erschlossen, so dass er im Mai 2024 erstmals in deutscher Übersetzung von Anat Rimer und mit einem einordnenden Vorwort von Entdecker Frank Beer im Berliner Metropol Verlag in der Reihe „Studien und Dokumente der Holocaust- und Lagerliteratur“ erscheinen konnte.

Sascha Feuchert, Mitherausgeber jener Schriftenreihe, las anschließend Passagen aus dem Bericht, welcher den entbehrungsreichen Weg von Henech und seinem Bruder Baruch dokumentiert. Dieser Weg, so der Literaturwissenschaftler, ist geprägt von „seltene[n] Augenblicke[n] des Glücks“, viel häufiger aber von Gewalt und Zurückweisung. Gemeinsam verlassen die Geschwister das Getto, um bei ihrer Tante in der Provinz unterzukommen, doch ihre gefährliche Reise ist vergeblich: Kurz vor ihrer Ankunft wurde die Tante von den Deutschen ermordet. So kehren die beiden schließlich zurück zu ihren Eltern in das Getto und halten die Familie durch Schmuggel am Leben. Das Buch Henech handelt vom Judenmord durch die Deutschen, vom polnischen Judenhass, vom Untergang seiner Familie und der polnischen Judenheit, aber auch vom kulturellen Widerstand im Getto als Form der Selbstbehauptung.

Pats authentisch nacherzählter Bericht schließt mit den Worten „Ja, Henech lebt“. Auch wenn sich die Spuren „Henechs“ nach dem Krieg verlieren, lebt er in jenem jüngst auf Deutsch erschienenen Bericht weiter, wandte eine Zuschauerin ein, der im Rahmen der Veranstaltung so „lebensnah und lebensfrisch“ vorgestellt wurde, wie es ihm gebührt, resümierte Benz.

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung kann auf dessen YouTube-Kanal angesehen werden unter: https://m.youtube.com/watch?v=ibUG2b-9Rl0

Weitere Informationen zum Buch sowie eine Bestellmöglichkeit finden Sie auf den Seiten des Metropol Verlags hier: https://metropol-verlag.de/produkt/henech-ein-juedisches-kind-das-dem-ghetto-entkam/


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