am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

′Die Licher haben ein großes Schweigen′:

02.12.2022

Die Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich feierte am 29. November mit einer Lesung von Sven Görtz aus den Briefen von Ernst-Ludwig Chambré und einer inhaltlichen Rahmung durch Prof. Dr. Sascha Feuchert ihr 25-jähriges Bestehen 

Die Jubiläumsveranstaltung am 29. November anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich fand im Kulturzentrum Bezalel-Synagoge in Lich statt. Die Veranstaltung war Teil der November-Reihe, die die Chambré-Stiftung mit zahlreichen Partnern – darunter auch die Arbeitsstelle Holocaustliteratur – jährlich zum Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938 im Landkreis Gießen organisiert.

Nadja Kuhl und Katharina Lorber (beide im Vorstand der Chambré-Stiftung) eröffneten den festlichen Abend mit Grußworten, bevor Prof. Dr. Sascha Feuchert zunächst über das Schicksal der Licher Familie Chambré sprach: Aufgrund des politischen Engagements des 1909 geborenen Ernst-Ludwig und seines Vaters Max im sozialdemokratischen „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ wurde die Familie, zu der neben Vater und Sohn auch Mutter Emilie und die beiden Töchter Henriette und Anne-Marie gehörten, zur Zielscheibe nationalsozialistischer Agitation. Im März 1933 kam es in Lich zu einem gewaltvollen Pogrom, von dem auch die Familie Chambré betroffen war. Ernst-Ludwig entkam diesem nur, weil er sich an diesem Tag nicht in Lich aufhielt. Er konnte aus Deutschland entkommen und überlebte als einziger den Holocaust. Seine gesamte Familie wurde in Auschwitz ermordet.

Bis 1987 Klaus Konrad-Tromsdorf, Lehrer der Dietrich-Bonhoeffer-Schule, gemeinsam mit seinen Schüler:innen begann, die NS-Vergangenheit Lichs zu erforschen, habe sich kaum jemand für die Geschichte der Familie interessiert, berichtete Feuchert. Klaus Konrad-Tromsdorf (später Konrad-Leder) suchte mit den Schüler:innen nach Holocaust-Überlebenden, die von ihrem Leben vor und in der NS-Zeit in Oberhessen berichten konnten. Es konnte ein Kontakt zu dem 1947 nach Amerika emigrierten Ernst-Ludwig Chambré hergestellt werden und es entspann sich ein intensiver Briefwechsel, aus dem mit der Zeit ein so großes Vertrauen erwuchs, dass 1997 – ein halbes Jahr nach seinem Tod – die nach ihm benannte Stiftung gegründet werden konnte. „Diese Geschichte dürfte so einmalig sein, wie sie folgenreich wurde“, so Feuchert, denn seit nunmehr 25 Jahren fördere und fordere die Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung die Erinnerung an das oberhessische Judentum, an den Holocaust sowie eine aktive Erinnerungskultur. 

Vortragskünstler Sven Görtz las anschließend aus den Briefen von Ernst-Ludwig Chambré vor. Er bringt darin seine tiefe Dankbarkeit für das Interesse der Schüler:innen und von Klaus Konrad-Tromsdorf an seinem Schicksal und dem seiner Familie zum Ausdruck, aber auch sein Bedürfnis nach juristischer Gerechtigkeit, für die er vergeblich kämpfte. Zum Abschluss des Abends erhielten die Teilnehmer:innen, darunter auch einige Schüler:innen der Dietrich-Bonhoeffer-Schule, die Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen.

Weitere Informationen zur Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung finden Sie hier


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