am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Die Arbeitsstelle Holocaustliteratur trauert um Maria „Mitzi“ Gabrielsen

08.01.2025

Eine der letzten norwegischen Holocaust-Überlebenden, Maria „Mitzi“ Gabrielsen ist am 4. Januar 2025, einen Tag nach ihrem 91. Geburtstag, verstorben. Sie war bis zuletzt als Zeitzeugin unterwegs und hatte noch geplant, mit einer norwegischen Delegation nach Auschwitz zu reisen, um dort am 27. Januar an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers teilzunehmen. 

Das Bild zeigt Maria beim Signieren eines ihrer Bücher am 25. August 2019 
(Fotografie: Elisabeth Turvold)
Das Bild zeigt Maria beim Signieren eines ihrer Bücher am 25. August 2019 (Fotografie: Elisabeth Turvold)

Maria, von Kind an „Mitzi“ genannt, hatte eine bewegte und bewegende Lebensgeschichte. Sie wurde am 3. Januar 1934 in Wien geboren und wuchs dort zunächst mit ihrem jüdischen Vater, Michael Schwarz, und ihrer zum Judentum konvertierten Mutter, Rosa, sowie sechs Geschwistern auf. Nach dem sog. ‚Anschluss‘ Österreichs 1938 ließ sich Rosa mit mehreren überzeugten Nationalsozialisten ein, was dazu führte, dass sie ihren eigenen Ehemann bei der Gestapo anzeigte, um ihn ‚loszuwerden‘. Zwei ältere Geschwister wurden ebenfalls von der Mutter angezeigt, die kleineren Kinder, darunter Maria, wurden in einem jüdischen Kinderheim platziert. Sämtliche Kinder der Familie Schwarz kamen nach Theresienstadt, was sie wie durch ein Wunder alle überlebten. Michael Schwarz wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Der Mutter wurde später vor dem Wiener Volksgericht der Prozess gemacht.


Nach dem Krieg kehrte Maria zunächst nach Wien zurück.1947, im Alter von 13 Jahren, durften sie und zwei ihrer Geschwister zu einen Erholungsaufenthalt nach Norwegen reisen. Dies führte dazu, dass sie von der Familie, die sie aufnahm, adoptiert wurde. Später lernte sie Asbjørn Gabrielsen kennen, heiratete und gründete Familie. Sie ließen sich in Sandefjord nieder, wo sie bis zuletzt lebte. Erst 2004 begann sie, über ihre traumatischen Erfahrungen in der Kindheit zu sprechen. Zusammen mit dem Autor und Journalisten Oddvar Schjølberg gab sie ihr Buch „Angitt av mamma“ heraus. Fortan besuchte sie unermüdlich als Zeitzeugin Schulklassen und begleitete Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz. 2018 erschien die deutsche Übersetzung ihrer Biografie unter dem Titel „Angezeigt von Mama“ bei Metropol in Berlin als fünfter Band der gemeinsamen Schriftenreihe der Arbeitsstelle Holocaustliteratur und der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich. Elisabeth Turvold hat Maria und Asbjørn Gabrielsen seither zwei Mal in Sandefjord besucht.  

Maria Gabrielsen am 15. November 2022 in Wien (Fotografie: Elisabeth Turvold)
Maria Gabrielsen am 15. November 2022 in Wien (Fotografie: Elisabeth Turvold)

Im Jahr 2022 folgte Maria mit ihrem Ehemann Asbjørn, ihrer Tochter Grete und ihren Enkeltöchtern Janne und Cecilie einer Einladung der Wiener Jüdischen Gemeinde ESRA und dem Jewish Welcome Service nach Wien. Unter anderem fand im Jüdischen Museum Wien ein offenes Zeitzeugengespräch Maria Gabrielsens mit Jasmin Freyer und eine Lesung mit der Schauspielerin Andrea Eckert aus „Angezeigt von Mama“ statt. Zahlreiche Abbildungen zu der Veranstaltung finden sich unter https://ouriel-morgensztern-photo.pixieset.com/denunziation-1/allpicshires/. Auch entstand 2022 in Verbindung mit ESRA ein Film, einsehbar unter https://www.weitererzaehlen.at/interviews/maria-gabrielsen


Wir werden Marias Engagement, ihre beeindruckende Ausstrahlung und ihre Stimme sehr vermissen. Unsere Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei ihren Angehörigen. 


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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
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