In der Sendung „Büchermarkt“, dem Literaturmagazin des Deutschlandfunks, wurde am 24. März ausführlich über die Tagung „Lest ihr noch oder schreibt ihr schon? Fanfiction im Archiv“ berichtet, die am 20. und 21. März 2025 stattfand. Der überwiegend englischsprachige Zoom-Workshop, organisiert vom Deutschen Literaturarchiv Marbach und der Eberhard Karls Universität Tübingen, beschäftigte sich mit der Rolle von Fanfiction als literarisches Phänomen und als Herausforderung für traditionelle Archivierungs- und Kanonisierungsprozesse.
Unter den Referent:innen war auch Jennifer Ehrhardt, Mitarbeiterin und kommissarische Geschäftsführerin der AHL. In ihrem Vortrag „Archiving the Past, Adapting It for the Present and Future? – Fan Fiction on Storytelling Platforms as a New Genre of Holocaust Memory“ stellte sie dar, wie digitale Plattformen zur Erinnerungs- und Geschichtskultur beitragen. Dabei beleuchtete sie das Phänomen der Holocaust-‚Fan‘-Fiction, welche lange Zeit auf Ablehnung stieß. Mittlerweile werde sie jedoch zunehmend als Teil der digitalen Erinnerungskultur verstanden. Ehrhardt betonte, dass digitale Storytelling-Plattformen wie Wattpad als eine Art „Graswurzel-Archiv der Holocaust-Erinnerung“ fungierten: Sie bewahrten nicht nur individuelle Schicksale, sondern zeigten auch, wie Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter persönlich und transnational funktioniere. Auf diese Weise böten sie Einsichten in das gegenwärtige kollektive Bewusstsein. Allerdings diene nicht jede Form von ‚Fan‘-Fiction zum Holocaust und Nationalsozialismus einer reflektierten Auseinandersetzung, betonte Ehrhardt. Manche Texte, in denen etwa Holocaust-Szenarien lediglich zur Kulisse für romantische Fiktionen werden, seien höchst problematisch.
In ihrem Vortrag gab Jennifer Ehrhardt damit erste Einblicke in das Forschungsprojekt „Digital Literature on Holocaust and National Socialism on Storytelling Platforms“, das derzeit an der AHL vorbereitet und von der Landecker Foundation finanziert wird. Es untersucht, wie digitale Plattformen als Orte des Erinnerns und der Geschichtsschreibung funktionieren – aber auch, wo die Grenzen und Risiken solcher Erzählformen liegen.
Das vollständige Deutschlandfunk-Feature von Cornelius Wüllenkemper kann hier nachgehört werden.