am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

„Gedenkanstoß MEMO-Studie 2025“ der EVZ und der Universität Bielefeld zum Status quo der Erinnerungskultur in Deutschland veröffentlicht

07.05.2025

29. April 2025

Anlässlich des diesjährigen 80. Jahrestags vom Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai wurde am 29. April 2025 die Studie „Gedenkanstoß MEMO – Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und der Universität Bielefeld vorgestellt. In einer repräsentativen Umfrage wurden rund 3.000 Personen in Deutschland zu ihrem Wissen, ihren Einstellungen und bisherigen Berührungspunkten in Bezug auf die Geschichte des Nationalsozialismus befragt. Im Mittelpunkt standen u.a. die Rolle von Gedenkstättenbesuchen in der historisch-politischen Bildungsarbeit, das Wissen über die NS-Zeit und mögliche Verstrickungen der eigenen Familie sowie Kenntnisse über die NS-Verbrechen am eigenen Wohnort. Darüber hinaus wurde erhoben, wie verbreitet antisemitische, rechtspopulistische und geschichtsrevisionistische Positionen in der Bevölkerung sind.

Die Ergebnisse belegen erneut einen ambivalenten Befund: Einerseits ist das Interesse an Geschichte nach wie vor hoch und der Nationalsozialismus war für viele Befragte Thema im Schulunterricht. Andererseits bestehen deutliche Wahrnehmungs- und Wissenslücken, insbesondere in Bezug auf konkrete historische Fakten und lokale Zusammenhänge. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Zahl derer, die angeben, in der Schule „sehr viel“ über den Nationalsozialismus gelernt zu haben, im Vergleich zu den Vorjahren nahezu halbiert hat. Dies deute, so Dr. Stephanie Bohra (Stiftung Topographie des Terrors), „unter anderem auf Leerstellen in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit“ hin.

Besorgniserregend ist der wachsende Anteil von Personen, die geschichtsrevisionistischen, rechtspopulistischen oder antisemitischen Aussagen zustimmen. Erstmals befürwortete eine Mehrheit der Befragten die Forderung nach einem „Schlussstrich“ unter die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forderung des Fachverbands Deutsch im Deutschen Germanistenverband erneut an Relevanz. In seiner „Paderborner Erklärung“ vom Dezember 2022 – mitgetragen von führenden Vertreter:innen der Deutschdidaktik und maßgeblich initiiert von der AHL – forderte er, dass Holocaustliteratur künftig eine deutlich stärkere Rolle in der schulischen Erinnerungsarbeit spielen müsse. Dies sei nicht zuletzt eine notwendige Reaktion auf das Verschwinden der Zeitzeug:innen-Generation und den Anstieg antisemitisch motivierter Gewalt. Die Erklärung im Wortlaut finden Sie hier.

Gleichzeitig zeigen die Studienergebnisse auch Potenziale: Rund 43 Prozent der Befragten halten es für eher oder sehr wichtig, an die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern. Gedenkstätten als außerschulische Lernorte spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Ergebnisse der Studie belegen einen Zusammenhang zwischen dem Besuch von Gedenkstätten, dem Wissen über die NS-Zeit und der Bereitschaft, sich mit der deutschen Vergangenheit wie auch mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Entscheidend für nachhaltige Lernerfahrungen seien Freiwilligkeit und Selbstbestimmung. Da mehr als die Hälfte dieser Besuche im schulischen Kontext stattfindet, müssen „Schulen […] personell und finanziell adäquat ausgestattet sein, um Gedenkstättenbesuche durchführen zu können“, betont Dr. Andrea Riedle (Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors).

Die Studie wurde im Rahmen des Projekts „Gedenkanstoß“ der Bildungsagenda NS-Unrecht durchgeführt und ergänzt die bisherigen sechs MEMO-Erhebungen, die das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld gemeinsam mit der EVZ seit 2018 realisiert hat. Ziel der MEMO-Studien ist es, zu erforschen, was, wie und wozu Bürger:innen in Deutschland historisch erinnern. Auf diese Weise soll eine Dokumentation der Bereitschaft der deutschen Bevölkerung, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, sowie der Entwicklung der Erinnerungskultur und des kritischen Geschichtsbewusstseins in Deutschland ermöglicht werden.

Weitere Informationen zur „Gedenkanstoß MEMO-Studie“ sowie zu den Ergebnissen finden Sie hier.


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