am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Die Arbeitsstelle Holocaustliteratur trauert um Margot Friedländer

09.05.2025

9. Mai 2025

Bis zuletzt erhob sie ihre Stimme gegen Antisemitismus, Rassismus und Hass – mit unermüdlichem Engagement, unerschütterlicher Haltung und tiefem Mitgefühl. Heute, am 9. Mai 2025, ist Margot Friedländer in ihrem 104. Lebensjahr in Berlin verstorben.

Margot Friedländer wurde am 5. November 1921 in Berlin als Margot Bendheim in eine jüdische Familie hineingeboren. Nach dem Schulabschluss absolvierte sie eine Lehre in einer Schneiderei. Die Bemühungen ihrer Familie, vor dem NS-Regime in die USA auszuwandern, schlugen fehl. 1943 wurde ihr Bruder Ralph kurz vor der geplanten Flucht von der Gestapo verhaftet. Ihre Mutter stellte sich freiwillig, um ihren Sohn nicht allein zu lassen. Beide wurden in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die letzten Worte ihrer Mutter an sie lauteten: „Versuche, dein Leben zu machen“ – Worte, die für Margot Friedländer zur Lebensaufgabe wurden. Mit 21 Jahren tauchte sie unter und lebte fünfzehn Monate in wechselnden Verstecken, bis sie 1944 von sogenannten jüdischen „Greifern“ festgehalten und nach Theresienstadt deportiert wurde – ein Ort, den sie später als „Zwischenreich, nicht Leben, nicht Tod“ beschrieb. Sie überlebte als Einzige ihrer Familie.

1946 emigrierte sie mit ihrem Mann Adolph Friedländer, den sie aus Berlin kannte und dem sie in Theresienstadt wieder begegnete, nach New York. Nach mehr als sechs Jahrzehnten im amerikanischen Exil kehrte sie im Jahr 2010 endgültig in ihre Geburtsstadt Berlin zurück. Seither war Friedländer eine unermüdliche Mahnerin gegen das Vergessen: 2008 erschien ihre Autobiografie „Versuche, dein Leben zu machen“ im Rowohlt Verlag. In Schulen, Universitäten, in Interviews und auf Gedenkveranstaltungen berichtete sie von den Gräueln der NS-Zeit, um nachfolgenden Generationen Verantwortung zu vermitteln: „Seid vorsichtig, lasst euch nichts einreden. Seid wachsam, seid Menschen“, so ihr Appell.

Im Jahr 2023 gründete sie die Margot Friedländer Stiftung, die heute mitteilte: „Mit ihrem Tod verliert Deutschland eine Persönlichkeit, die als Zeitzeugin und Überlebende des Holocaust mit großem persönlichem Einsatz ihren Überlebenskampf in der NS-Diktatur geschildert und für ein besseres Deutschland gekämpft hat. Artikel 1 unseres Grundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – war ihr Leitmotiv und Kompass. Für diesen Einsatz ist sie weit über die Grenzen Deutschlands hinaus geehrt und ausgezeichnet worden. In großer Dankbarkeit verneigen wir uns vor ihrem eindrucksvollen Lebenswerk. Ihr Vorbild ist uns Auftrag und Verpflichtung.“

Auch wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsstelle Holocaust, werden ihre starke Stimme schmerzlich vermissen. Wir danken Margot Friedländer für ihren unermüdlichen Einsatz für ein friedlicheres Miteinander und werden ihr ein ehrendes Andenken bewahren.


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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
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