am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Arbeitsstelle Holocaustliteratur trauert um den Widerstandskämpfer Eugen Herman-Friede

22.10.2018

Oktober 2018

Mit großer Betroffenheit haben wir vom Tode Eugen Herman-Friedes erfahren, der am 6. Oktober 2018 im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Das teilt die Stadt Kronberg im Taunus, wo Herman-Friede zuletzt lebte, in einem Nachruf auf ihrer Homepage mit. 

Eugen Herman-Friede wurde am 23. April 1926 in Berlin in eine jüdische Familie geboren. Nachdem sich seine Eltern früh getrennt hatten, heiratete seine Mutter den nichtjüdischen Handelsvertreter Julius Friede. Erst nach seiner Einschulung erfuhr Herman-Friede, dass er Jude war. Er besucht die jüdische Mittelschule, bis er 1942 zur Zwangsarbeit auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee gezwungen wurde. Der zunehmenden Diskriminierung und Ausgrenzung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt, wurde er ab Anfang 1943 bei Freunden, Verwandten und Bekannten in Berlin versteckt. Trotz seiner eigenen Gefährdung wirkte Herman-Friede bei der Widerstandsgruppe "Gemeinschaft für Frieden und Aufbau" mit, indem er Flugblätter vervielfältigte und verteilte und half, Verfolgten ein Versteck und falsche Papiere zu besorgen. Im Dezember 1944 wurde er jedoch mit seinen Eltern festgenommen und blieb bis April 1945 in verschiedenen Berliner Gefängnissen in Haft. Seine Mutter Anja Friede kehrte im selben Jahr aus dem Getto Theresienstadt zurück. Sein Stiefvater Julius Friede wurde am 19. Dezember 1944 im Gefängnis am Alexanderplatz tot aufgefunden, wo er sich offenbar das Leben genommen hatte.

Nach Ende des Krieges trat Eugen Herman-Friede in die KPD ein und wurde nach der Zwangsvereinigung von KPD und SPD Mitglied der SED. Er war als Journalist bei der Märkischen Volksstimme in Potsdam tätig. 1948 wurde er wegen einer familiären Verwicklung in 'Wirtschaftsverbrechen' verhaftet. Nach seiner Freilassung Anfang 1949 ging er nach West-Berlin. 1953 zog er mit seiner Familie nach Kanada und eröffnete das erste deutsche Restaurant in Toronto. Er kehrte jedoch nach Deutschland zurück, wo er seit 1966 in Kronberg im Taunus lebte und in der Bekleidungsindustrie und bei einem Chemieunternehmen tätig war.

Herman-Friede hat als Zeitzeuge immer wieder von seinen Erfahrungen im Nationalsozialismus berichtet. Auch an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur war er zu Gast. Zudem schilderte er in Büchern, wie etwa in "Für Freudensprünge keine Zeit. Erinnerungen an Illegalität und Aufbegehren 1942–1948" von 2002 und "Abgetaucht! Als U-Boot im Widerstand. Tatsachenroman" von 2004 seine Erlebnisse. 2017 erschien der Film "Die Unsichtbaren –Wir wollen leben", der vier Schicksale junger verfolgter Juden im Nationalsozialismus zeigt, darunter auch das von Eugen Herman-Friede, der im Film in Interviewausschnitten zu sehen ist. Für sein Lebenswerk erhielt Herman-Friede 2009 das Bundesverdienstkreuz.

Wir werden uns immer in tiefem Respekt an Eugen Herman-Friede erinnern. Unser Mitgefühl seiner Familie und Freunden.


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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
Otto-Behaghel-Str. 10 B / 1 · D-35394 Gießen · Deutschland
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