am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Erneute politische Angriffe auf renommierte Holocaust-Forscherin in Polen: AHL besorgt über die Entwicklungen

29.04.2023

Die AHL unterstützt den von Dr. Maria Ferenc initiierten offenen Brief gegen politische Eingriffe in die Holocaust-Forschung und zur Unterstützung von Prof. Barbara Engelking

In einem Fernsehinterview am 19. April 2023 anlässlich des 80. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Getto äußerte sich Prof. Barbara Engelking (Gründerin und Direktorin des Polnischen Zentrums für Holocaust-Forschung in Warschau) unter anderem kritisch über die Haltung von Teilen der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden während des Holocaust: „Die Juden waren während des Krieges unglaublich enttäuscht von den Polen. Sie wussten, was sie von den Deutschen zu erwarten hatten, die der Feind waren … aber die Beziehung zu den Polen war viel komplexer“, so Prof. Engelking in dem Interview. Polnische Politiker, vor allem der regierenden PiS-Partei, drohten ihr daraufhin mit rechtlichen Konsequenzen und schlugen vor, die Mittel für das Institut, an dem sie beschäftigt ist, zu kürzen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki versuchte, die Arbeit von Prof. Engelking in im Internet zu diskreditieren. Der Nationale Rundfunkrat kündigte nun an, dass er wegen des Interviews ein Verfahren gegen den privaten Fernsehsender TVN einleiten werde, bei dem das Interview ausgestrahlt wurde. Weitere Einzelheiten finden Sie hier.

Das Zentrum für Holocaust-Forschung in Warschau bezeichnete die Angriffe gegen Engelking als einen weiteren Versuch, die akademische Forschung über den Holocaust aus politischen und ideologischen Motiven zu untergraben. Engelking selbst fügte hinzu, dass historische Verzerrungen, die das Ausmaß der polnischen Hilfe für Juden während des Holocaust übertrieben darstellen, heute in Polen üblich sind.
Auch die Mitarbeiter:innen der AHL sind äußerst besorgt über diese Entwicklungen, die vor allem eine massive Bedrohung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit darstellen.

Zuletzt sollten sich Prof. Barbara Engelking gemeinsam mit Prof. Jan Grabowski (Historiker an der Universität Ottawa) nach einem Gerichtsurteil in Polen vom 9. Februar 2021 für „Ungenauigkeiten“ in der von ihnen publizierten Studie „Danach ist nur Nacht“ öffentlich entschuldigen. Internationale Institutionen wie Yad Vashem, aber auch zahlreiche Wissenschaftler:innen und Medien hatten das Urteil bereits mit Sorge aufgenommen und kritisch diskutiert.

Dr. Maria Ferenc (Jüdisches Historisches Institut, Warschau) hat gemeinsam mit zahlreichen Wissenschaftler:innen einen offenen Brief gegen politische Eingriffe in die Holocaust-Forschung und zur Unterstützung von Prof. Engelking initiiert, den auch der Leiter der AHL, Prof. Sascha Feuchert, unterzeichnet hat. In dem Brief heißt es wörtlich:

We, the undersigned scholars, including researchers who deal with the history of the Second World War, the Holocaust and Polish-Jewish relations, would like to express our opposition to the political attack on Prof. Barbara Engelking, the director of the Center for Holocaust Research at the Institute of Philosophy and Sociology of the Polish Academy of Sciences (IFiS PAN) in Warsaw.
We regard such censorious tendencies and the notion that the continued financing of academic institutions should be conditional upon whether the research produced within them meets the expectations of politicians as extremely dangerous and unacceptable. Such actions are aimed at discouraging other scholars from undertaking research that might be met with a similar hate campaign.
We are opposed to the attempt to discredit many years of scholarly work, the results of which have been published by respectable publishers in Poland and abroad, and peer reviewed by scholars competent in the field of Holocaust research. We object to the idea of making a subject that calls for meticulous and nuanced research – as carried out by Professor Engelking – part of an election campaign.


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