am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Johannes Winter las am 13. Dezember aus seinem Buch ′Die verlorene Liebe der Ilse Stein′ - Artikel in der Gießener Allgemeinen Zeitung erschienen

14.12.2018

Am 13. Dezember war der Journalist und Autor Johannes Winter auf Einladung der Arbeitsstelle Holocaustliteratur und dem Literarischen Zentrum Gießen (LZG) zu Gast im KiZ. Winter, der unter anderem Mitbegründer der taz ist und Nachrichtenredakteur beim Hessischen Rundfunk war, las einige Passagen aus seinem Buch "Die verlorene Liebe der Ilse Stein“ und erzählte im anschließenden Gespräch mit Markus Roth (AHL) von der außergewöhnlichen Geschichte Ilse Steins. Weil sie Juden waren, wurde die Familie 1939 aus ihrem oberhessischen Heimatdorf Geiß-Nidda nach Frankfurt am Main vertrieben. Im November 1941 wurde die Familie von Frankfurt in das Getto in Minsk deportiert. Dort rettete der Wehrmachtsangehörige Willi Schulz, der zeitweise auch nach Malyj Trostenez – einem der größten nationalsozialistischen Vernichtungsorte in Weißrussland, nur wenige Kilometer von Minsk entfernt – abkommandiert war, die siebzehnjährige Ilse. 

Anfang der 1980er Jahre lernte Winter im Zuge zu anderen Recherchen zur Judenverfolgung in Oberhessen Ilse Stein kennen, die damals in der Nähe der Krim, etwa 1000 km südlich von Moskau, lebte. In seiner "literarischen Reportage“, wie er sein Buch bezeichnet, hat er ihre Geschichte, so wie sie diese Winter erzählt hat, und ihr Zeugnis bewahrt und durch historische Quellen, weitere persönliche Erinnerungen von Zeitzeugen sowie Erkenntnisse der historischen Forschung zu einer anschaulich erzählten und berührenden Geschichte zusammengefügt. Ausführlich hat Winter etwa in Ilse Steins Heimatdorf im oberhessischen Geiß-Nidda recherchiert. "Erinnerungen haben ihre eigene Wahrheit, die zum Teil mit historischer Wahrheit zu tun hat und zum Teil nicht", so erklärt Winter. Auch Ilse Steins Erinnerungen seien "zum Teil nicht mit einer historischen Geschichtsschreibung identisch", daher sei es notwendig gewesen, Ilse Steins "Wahrheit", die sie ihm erzählt habe, zu unterfüttern. Die Geschichte von Willi Schulz, der ja zu diesem Zeitpunkt nicht mehr lebte, sei in weiten Teilen nur noch aus Dokumenten aus Archiven zu rekonstruieren.

Das besondere an der Geschichte Ilse Steins sei es, dass ausgerechnet ein Wehrmachtsangehöriger, der Hauptmann Willi Schulz, Ilse Stein und ihre beiden Schwestern aus dem Getto in Minsk gerettet habe, so erläuterte Winter. Schulz, der in vielen Bereichen ein durchaus typischer und 'angepasster' deutscher Beamter gewesen sei, habe durch seinen Dienst am Vernichtungsort Malyj Trostenez, wohin er zeitweise aufgrund seiner persönlichen Beziehung zur Jüdin Ilse Stein strafweise abkommandiert worden war, eine Veränderung erfahren, so Winter. Er habe durch die fürchterlichen Dinge, die grausamen Massenerschießungen, die er dort gesehen habe, nicht mehr weitermachen können wie bisher. "Er begann in Ilse Stein einen Menschen zu sehen, den er retten möchte, kein Objekt". 

Im abschließenden Gespräch mit dem Publikum sprach Winter unter anderem über den Dokumentarfilm "Die Jüdin und der Hauptmann" von Ulf von Mechow. Der Film, an dessen Entstehung Winter in weiten Teilen beteiligt war, erzählt die Geschichte der Flucht von Ilse Stein mit ihren Schwestern und anderen Gettobewohnern im Jahr 1943 zu den Partisanen. Er zeigt die Orte ihrer Leiden, folgt ihren Berichten auf der Fluchtstrecke und rekonstruiert das Geschehen von damals. Er schildert schließlich die Bemühungen der Überlebenden, als Juden mit ihrer Geschichte der Verfolgung anerkannt zu werden.
Der Film wird, ebenso wie das Gespräch mit Johannes Winter am 13. Dezember, im Rahmenprogramm der Ausstellung "Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung" gezeigt. Der Oberhessische Geschichtsverein lädt zur Filmvorführung am 8. Januar 2019 um 19.30 Uhr in den Margarete-Bieber-Saal (Ludwigstraße 34, 35390 Gießen) ein. Johannes Winter wird an diesem Abend ein zweites Mal zu Gast in Gießen sein.

In der Gießener Allgemeinen Zeitung ist am 14. Dezember ein ausführlicher Bericht über die Lesung erschienen. Zum Artikel gelangen Sie hier. 

Weitere Informationen zum Begleitprogramm der Ausstellung erhalten Sie hier.


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Arbeitsstelle Holocaustliteratur
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