„Ein altes Sprichwort: ‚Ein Volk, das nichts aus der Geschichte lernt, wird gezwungen sein, dieselben Fehler wieder zu machen.‘“ – Mit diesen Worten mahnte Ernst-Ludwig Chambré in einem Brief vom 6. Februar 1988 an den Lehrer Klaus Konrad-Leder, wie wichtig es sei, jüngeren Generationen „Einsicht in die Fehler einer früheren Generation zu bieten“.
Heute, am 116. Geburtstag von Ernst-Ludwig Chambré, erinnern wir an sein Leben und Wirken. Die nach ihm benannte Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung zu Lich, die er maßgeblich initiierte und finanziell ausstattete, unterstützt seit jeher entscheidend die Arbeit der AHL. Ohne sein Engagement wäre diese in ihrer heutigen Form nicht denkbar.
Ernst-Ludwig Chambré wurde am 4. November 1909 in Lich geboren. Seine sephardische Familie war dort bereits seit dem 18. Jahrhundert ansässig und führte ein Manufakturwarengeschäft sowie eine kleine Privatbank. Nach dem Abitur 1929 studierte er Jura in Gießen, Frankfurt und Berlin.
Im März 1933 verübten SA-Männer in Lich ein Pogrom, bei dem sie die dort lebenden jüdischen Familien überfielen und mehrere Familienväter folterten. Ernsts Vater, Max Chambré, wurden dabei beide Kniescheiben zertrümmert; Ernst-Ludwig selbst entging dem Überfall nur zufällig. Er floh zunächst nach Belgien, später nach Frankreich, Spanien und schließlich nach Palästina. 1947 emigrierte er mit seiner Frau in die USA. Als einziger seiner Familie überlebte er den Holocaust. Seine Eltern, seine beiden Schwestern sowie zwei Nichten wurden in Auschwitz ermordet. Zeit seines Lebens kämpfte er vergeblich um Wiedergutmachungsleistungen für das enteignete Familienvermögen.
Im Jahr 1987 nahmen Schüler:innen der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Lich unter der Leitung ihres Lehrers Dr. Klaus Konrad-Leder Kontakt zu Chambré auf, nachdem sie begonnen hatten, die NS-Geschichte ihrer Stadt zu erforschen. Daraus entwickelte sich ein intensiver Austausch. 1997, wenige Monate nach Chambrés Tod am 20. Juni 1996, wurde die Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung gegründet. Ihre Ziele waren bereits zu seinen Lebzeiten gemeinsam mit ihm formuliert worden: die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten und einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen.
Seither fördert die Stiftung vielfältige Projekte, darunter auch Veranstaltungen, Exkursionen und Publikationen der AHL. Außerdem trägt sie zur Finanzierung der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftungsprofessur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Holocaust- und Lagerliteratur sowie deren Didaktik am Institut für Germanistik der JLU Gießen bei, die seit 2017 Prof. Dr. Sascha Feuchert innehat.
Eine ausführliche Biografie von Ernst-Ludwig Chambré sowie weiterführende Informationen zur Stiftung finden Sie auf unserer Website.
