Die Frage nach den eigenen Eindrücken und Gefühlen in Hadamar stand im Fokus des Nachtreffens der Gruppe. Besonders prägend empfanden viele den Aufenthalt im Kellerbereich der ehemaligen Tötungsanstalt, der für sie sinnbildlich Hannah Arendts Konzept der „Banalität des Bösen“ verkörperte. In der Plenumsdiskussion wurde auch der Bogen zur Gegenwart geschlagen: Wo zeigen sich heute Rassismus und Verfolgung? Warum bleibt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus auch acht Jahrzehnte nach Kriegsende von besonderer Bedeutung – nicht nur als Mahnung, sondern als Grundlage für eine gerechte(re) Zukunft? Auch aus der Diskussion erwuchs die Überzeugung, dass es notwendig ist, sich aktiv gegen Menschenrechtsverletzungen zu stellen, und dass jeder Mensch durch sein Handeln zur Gestaltung der Gesellschaft und der Zukunft beiträgt.
Die Eindrücke dienten im weiteren Verlauf des Seminars als Impuls, um erste konzeptionelle Entwürfe für regionale Gedenkprojekte innerhalb des eigenen Fachschwerpunkts zu erarbeiten. Ende Juli präsentierten die Seminarteilnehmenden ihre Projektideen im Rahmen einer studentischen Konferenz. Diese reichten von einem digitalen multiperspektivischen Stadtrundgang zu Gießen in der Zeit des Nationalsozialismus über ein pädagogisches Kartenspiel zur NS-„Euthanasie“ bis hin zu einer interaktiven Gedenkstele, die an vertriebene und ermordete jüdische Studierende und Lehrende der Gießener Universität erinnern soll.
Eingebettet in das Modul „Residential II – Future Thinking“ des Orientierungsjahres im LAS-Programm, das in diesem Sommersemester erstmals von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur inhaltlich gestaltet wurde, verstand sich das Seminar als Pilotprojekt zur festen und dauerhaften Verankerung von Demokratieförderung sowie Faschismus- und Rassismusresilienz im Curriculum des seit dem Wintersemester 2023/2024 angebotenen Studiengangs. Ziel dieses Vorhaben ist es, Lehr- und Lernmethoden zu entwickeln, die Studierende nicht nur akademisch bilden, sondern auch persönlich als aktiv Teilhabende und Gestaltende in der Demokratie stärken. Die Seminarleitenden Ehrhardt und Luckau betonen in diesem Zusammenhang: „,Nie wieder‘ beginnt mit dem Wissen um das, was war. Doch unsere Gedenkarbeit kann nur dann nachhaltig sein, wenn sie junge Menschen befähigt, aktiv an ihr teilzunehmen und Verantwortung zu übernehmen – im Heute und für das Morgen.“