am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Eigene Berichte

Anita Lasker-Wallfisch
Anita Lasker-Wallfisch

Anita Lasker-Wallfisch besuchte die Arbeitsstelle Holocaustliteratur

Die ehemalige Cellistin des Londoner ‚English Chamber Orchestra‘ gehörte 1943 zum ‚Mädchenorchester‘ in Auschwitz. Ihre Erinnerungen veröffentlichte sie in Deutschland 2000 unter dem Titel „Ihr sollt die Wahrheit erben“.

Eine von der Lagergemeinschaft Auschwitz – Freundeskreis der Auschwitzer e.V. organisierte Lese- und Vortragsreise in Mittelhessen nutzte am Montag (06.05.2013) Anita Lasker-Wallfisch für einen kurzen Besuch an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur. Mit den Mitarbeitern sprach sie nicht nur über ihre Erlebnisse in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen, sondern auch über ihr Leben nach dem Holocaust. Im Häftlingsorchester von Auschwitz spielte sie unter Alma Rosé Cello. Alma Rosé war die Tochter des berühmten Wiener Konzertmeisters Arnold Rosé und Nichte des Komponisten Gustav Mahler.

Im November 1944 wurde sie mit anderen Mitgliedern des Orchesters nach Bergen-Belsen verbracht, wo sie im April 1945 von den alliierten Truppen befreit wurde. 1946 konnte sie nach London auswandern und begründete dort das ‚English Chamber Orchestra‘ mit, wo sie bis vor wenigen Jahren als Cellistin spielte. Ihr 1993 verstorbener Mann, Peter Wallfisch, war Pianist. Ihr Sohn, Raphael Wallfisch, ist ein bekannter britischer Cellist, auch die Enkel sind Musiker.

Ihre Erinnerungen hatte sie ursprünglich ausschließlich für ihre Kinder geschrieben. Sie waren ein Versuch zu erklären, warum sie vorher nie mit ihnen über die Ereignisse im Holocaust gesprochen hatte. Dafür habe es gleich mehrere Gründe gegeben. Zum einen habe sie die Kinder in jungen Jahren nicht durch die Erlebnisse der Mutter traumatisieren wollen. „Mütter sind dazu da, um Knöpfe anzunähen, nicht um im Gefängnis zu sitzen“, erklärt sie. Zum anderen seien sie so damit beschäftigt gewesen „normale Menschen zu werden“, da habe es für die Aufarbeitung der Geschehnisse erst einmal keinen Raum gegeben.

Jahrzehnte lang hat Lasker-Wallfisch Deutschland und auch die deutsche Sprache gemieden und sich geschworen, nie wieder ihre Füße auf deutschen Boden zu setzen. Als sich vier Jahrzehnte nach der Emigration ein Engagement in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen ergab, ergriff sie dann doch die Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, was nach so vielen Jahren aus dem Lager geworden war. Seitdem geht sie häufig in Deutschland auf Vortragsreise und besucht vor allem Schulen, um hier von ihren Erlebnissen im Holocaust zu berichten. Damit hat sie gute Erfahrungen gemacht. „Die Schüler zeigen Interesse und stellen gute Fragen.“ Besonders freut sich Lasker-Wallfisch, wenn die Schüler sie auch zu ihrem Leben nach dem Nationalsozialismus befragen. „Denn das Leben ging ja auch danach noch weiter“.


Seminar zu frühen Zeugnissen und Texten Überlebender

Der Internationale Suchdienst (ITS) hat gemeinsam mit der Arbeitsstelle Holocaustliteratur vom 9. - 11. März 2012 ein Seminar zu Zeitzeugenberichten im Archiv des ITS veranstaltet. Zehn Studierende, drei Historiker und sieben Literaturwissenschaftler, haben sich mit den frühen Zeugnissen und Texten von Überlebenden des Holocaust befasst. "Es war ein dichtes und unglaublich erfolgreiches Wochenende, das meine Erwartungen weit übertraf", sagte Seminarleiter Hon.-Prof. Dr. Sascha Feuchert. "Mit diesem Archiv hat sich den Studenten eine Schatzkammer geöffnet."

Im Dokumentenbestand des ITS gibt es Aussagen von Überlebenden für Prozesse, Berichte in Kindersuchakten, Briefe, Tagebücher sowie Fragebögen der Alliierten. Die Texte entstanden zumeist direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese frühen Zeugnisse seien von der Forschung lange vernachlässigt worden, erklärte Feuchert. "Wir haben uns in der Literaturwissenschaft bisher vor allem mit den publizierten Werken befasst. Die Texte hier im Archiv weisen aber eine frappierende Ähnlichkeit auf. Unabhängig von der Form sind auch sie geprägt von einer starken Literarisierung und Emotionalisierung."

Die Studierenden betrachteten mehrere Texte im Hinblick auf den Stil, den Entstehungszusammenhang, den historischen Kontext und die Biografien der Überlebenden. Dazu zählte etwa ein Tagebuch von Hans Horwitz aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen oder eine 30-seitige Zeugenaussage von Zdenka Fantlova, die das Ghetto Theresienstadt sowie die Lager Groß-Rosen und Bergen-Belsen überstand. "Es ist ungeheuer interessant, sich diese Zeugnisse einmal aus der literaturwissenschaftlichen Perspektive anzusehen", äußerte Studentin Anne Thürmer. "Sie haben viel mit der Erinnerungskultur zu tun."

Die Studierenden analysierten, wie die Überlebenden zu den unterschiedlichen Zeitpunkten über ihr Leben berichteten. Sie gingen auch der Frage nach, inwiefern das Geschehene ihre Einstellung zum Leben geprägt hat. Ein besonderes Augenmerk legten sie auf den Vergleich zu literarischen Werken von Überlebenden, wie etwa Jurek Becker oder Solly Ganor, zu deren Schicksalen sich ebenfalls Unterlagen im Archiv des ITS befinden. "Die Recherche benötigt Zeit", meinte Student Johannes Berscheid. "Aber sie lohnt sich auch für die spätere Arbeit mit Schülern."

Die drei Historiker unter den Seminarteilnehmern planen gemeinsam mit weiteren Studenten eine Ausstellung zu Überlebenden unter dem Titel "Displaced Persons in Mittelhessen". Sie soll Ende des Jahres fertig gestellt sein. Im Archiv des ITS suchen sie auch nach Zeitzeugen, die sie dafür interviewen können. "Es ist unglaublich spannend, was hier alles lagert", sagte Sebastian Müller. "Wir werden für weitere Nachforschungen wieder kommen."

Der ITS wollte mit dem Seminar erreichen, dass die ersten Zeugenaussagen von der Forschung und Pädagogik stärker wahrgenommen werden. "Auch für uns haben sich mit dem Seminar wieder neue Türen geöffnet", sagte Dr. Susanne Urban, Bereichsleiterin Forschung beim ITS. "Es hat uns gezeigt, wie unterschiedlich sich die Dokumente nutzen lassen. Gerade die Bestände zu den Überlebenden bieten uns Einblicke, die andernorts so nicht möglich sind." Gemeinsam mit der Universität Gießen plant der ITS künftig regelmäßige Seminare und Vorträge.

Bericht: ITS Bad Arolsen


Cover "My Germany"
Cover "My Germany"

Lesung von Lev Raphael aus "My Germany"

Bereits zum fünften Mal ist der U.S.-Amerikaner Lev Raphael nun in Deutschland und das, obwohl er sich einst geschworen hatte, dieses Land niemals zu besuchen. Lev Raphael ist der Sohn zweier osteuropäischer Juden, die nur knapp dem Holocaust entkamen und in die USA fliehen konnten. Lange war Deutschland für Raphael ein Fleck auf der Landkarte, den er in seinen Vorstellungen schon eliminiert hatte. Nach dem Tod seiner Mutter beginnt er jedoch, Kontakt zu Verwandten in Deutschland aufzunehmen und dorthin zu reisen. Diese Erfahrungen beschreibt der Autor in seinem Buch "My Germany", das er am 16.11. nach einer Einladung durch die Arbeitsstelle Holocaustliteratur, das LZG sowie die Ernst-Ludwig Chambré-Stiftung zu Lich im Rahmenprogramm zu Klaus Steinkes Ausstellung "Nem dein Harf in Hant" im KiZ vorstellte.

Der Prolog, den Raphael sogar auf deutsch vorlas, ist ein Eindruck seiner Lesereise für sein Buch "The German Money" in Deutschland. Mit dem Zug beschreitet er genau den Weg nach Magdeburg, den seine Mutter damals beschreiten musste - gezwungen, gefangen gehalten und gedemütigt. Auf der dortigen Lesung wird Raphael, der als Vertreter der Zweiten Generation spricht, gefragt, ob Vergebung möglich sei. Die Antwort: „Natürlich ist Vergebung möglich" - auch wenn er nicht stellvertretend für die Opfer vergeben könne.

Den vollständigen Bericht von Jennifer Sprodowsky finden Sie hier.


Bericht: Gießener Studierende der Germanistik auf Exkursion in Oświęcim/Auschwitz

Vom 21.01. - 28.01.2011 fand unter der Leitung von Hon.-Prof. Dr. Feuchert und Dr. Markus Roth die Exkursion der Teilnehmer des Seminars "Holocaustliteratur: Auschwitz. Seminar mit Exkursion" in die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau statt. Einen ausführlichen Bericht von Matthias Kremp finden Sie hier.




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