Von einem besonders abgründigen Fall der Denunziation berichtet Maria Gabrielsen (geborene Schwarz) in ihrem ursprünglich auf Norwegisch veröffentlichten Buch „Angezeigt von Mama“. Die 1934 geborene Maria wuchs mit ihren sechs Geschwistern als Kind in Wien auf. Ihr Vater war Jude, ihre Mutter konvertierte mit der Hochzeit zum Judentum. Nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde die Ehe zunehmend zerrüttet. Rosa, Marias Mutter, ließ sich mit unterschiedlichen Männern ein, darunter überzeugte Nationalsozialisten, und entfremdete sich mehr und mehr von der Familie. Schließlich bezichtigte sie ihren Mann kommunistischer Hetze und lieferte ihn so der Gestapo aus. Er wurde schließlich nach Auschwitz deportiert, wo er schließlich am 10. Dezember 1943 starb. Auch der Kinder entledigte sie sich, indem sie die beiden ältesten wegen Nichttragens des Judensterns anzeigte und die kleineren Kinder in die Obhut der Jüdischen Gemeinde gab. Alle Kinder wurden nach Theresienstadt deportiert, überlebten aber wie durch ein Wunder.
Nach ihrer Befreiung kehrten die Kinder nach Wien zurück, wo ihr Fall einiges Aufsehen erregte. Es kam vor dem Volksgericht zum Prozess gegen die Mutter, das sie schließlich schuldig sprach. Maria Gabrielsen, die nach Norwegen auswanderte, hat dort in späten Jahren gemeinsam mit Oddvar Schjølberg ihre Erinnerungen niedergeschrieben.
Für die Arbeitsstelle Holocaustliteratur übersetzt Elisabeth Turvold das Buch aus dem Norwegischen. In einem Nachwort wird der Fall anhand der Gerichtsakten und weiterer Quellen historisch dargelegt und eingeordnet. Das Buch wird in der gemeinsamen Schriftenreihe der Arbeitsstelle Holocaustliteratur und der Ernst-Ludwig Chambré-Stiftung zu Lich "Studien und Dokumente zur Holocaust- und Lagerliteratur" im Metropol Verlag erscheinen.
Projektverantwortlicher an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur:
Markus Roth (markus.roth@germanistik.uni-giessen.de)