Im Sommer 1944, Teile Frankreichs waren bereits befreit, irrte ein Deportationszug mit rund 690 Männern und 60 Frauen durch das Land, der die gefangenen Widerstandskämpfer nach Dachau bringen sollte. Es waren überwiegend Kämpfer der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, die nach ihrem Rückzug aus Spanien 1939 in Südfrankreich von den französischen Behörden interniert worden waren, und Kämpfer der Resistance aus Lagern und Gefängnissen, die, in Güterwaggons eingepfercht, zwei Monate unterwegs waren. Immer wieder kam der Zug zum Halten, weil der Kriegsverlauf die Weiterfahrt verhinderte oder Anschläge des Untergrunds Streckenabschnitte unpassierbar machten. In qualvoller Enge, äußerst unzureichend mit Wasser und Essen versorgt, der Hitze und den immer wiederkehrenden Bombenangriffen waren die Gefangenen schutzlos ausgeliefert. Zahlreiche Menschen starben unterwegs, viele weitere überlebten die Strapazen im Konzentrationslager Dachau oder Mauthausen, wohin einige später verlegt wurden, nicht.
Einer der Deportierten war Francesco Nitti, ein italienischer Sozialist, der auch in Spanien gekämpft hatte. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg hatte er in der Resistance gegen die deutschen Besatzer gekämpft. Er wurde jedoch verhaftet und im Lager Vernet interniert, von wo aus der als Geisterzug bekannt gewordene Deportationszug startete. Nitti gelang es zusammen mit anderen Gefangenen, unterwegs aus dem Zug zu fliehen. Er schrieb bald darauf einen Bericht darüber auf, der erstmals noch im April 1945 auf Französisch erschien.
Über siebzig Jahre später soll in einer Übersetzung von Günter Leitzgen Nittis Buch erstmals auf Deutsch erscheinen. Ergänzt wird er durch ein Nachwort von Norbert Schmidt, der ausgehend von Nittis Bericht den Bogen zur deutsch-französischen Partnerschaft am Beispiel der langjährigen Kontakte zwischen Wettenberg und Sorgues schlägt, die eng mit dem Schicksal des Geisterzugs zusammenhängen.
Projektverantwortlicher an der Arbeitsstelle Holocaustliteratur:
Sascha Feuchert (sascha.feuchert@germanistik.uni-giessen.de)