am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen

Rutka Laskier: Rutkas Tagebuch. Aufzeichnungen eines polnischen Mädchens aus dem Ghetto

Mit dem umfangreichen Sammelband "Die Kamera als Waffe. Propagandabilder des Zweiten Weltkrieges" liegt seit 2010 ein beeindruckendes Werk vor, das die titelgebende Thematik aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und einen umfassenden Überblick über die aktuellen Forschungen im In- und Ausland gibt. Die Entstehung der Publikation geht auf ein Symposium der Deutschen Kinemathek zurück, bei dem Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen zusammentrafen und über Quellenwert und Wirkung von Bildern des Nationalsozialismus diskutierten sowie die Frage erörterten, inwieweit die Selbstdarstellung der Nationalsozialisten bis heute die visuelle Erinnerung an das "Dritte Reich" prägt. Ausführlich wurden dabei die Arbeit und Vorgehensweise der Propagandaeinheiten der Wehrmacht analysiert, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren.  Denn so waren es diese PKs, die aus militärisch geschulten Berichterstattern bestanden und in Wochenschauen und Kompilationsfilmen dafür sorgten, ein Bild des Kriegsgeschehens zu vermitteln, das die Botschaft der NS-Ideologie äußerst wirkungsvoll umsetzte.

In sieben Kapiteln betrachten die Autoren verschiedene Aspekte dieser wirksamsten "geistigen Waffe", wie sie Reichsfilmintendant Fritz Hippler nannte und machen die Wirkungsmechanismen, die hinter der nationalsozialistischen Propaganda steckten, transparent. Nach einem Vorwort der Herausgeber führt Daniel Uziel zunächst in die wichtigen Begrifflichkeiten des Themas ein und gibt dabei einen strukturierten Überblick der verschiedenen Propagandatruppen im NS-Regime, wobei er  Stellenwert und Funktionen der verschiedenen Propagandaeinheiten ausführlich erläutert. Darauf folgt Rainer Rothers Beitrag zur Entstehung der Kriegswochenschau, mit dem er das Kapitel "Ästhetik und Technik" einleitet, in dem der Leser über die Entstehungsbedingungen der Propagandafilme und Kriegswochenschauen sowie deren Wirkungsstrategien informiert wird. Nachvollziehbar stellt Rother dar, dass es neben Fotografien in Zeitungen und Illustrierten insbesondere das filmische Bildmaterial war, welches den wichtigsten Bestandteil der Kriegspropaganda ausmachte. Beim Zuschauer wurde aufgrund der bewegten Bilder ein besonders starkes Gefühl des "Dabeiseins" hervorgerufen, weshalb Propagandaminister Goebbels schnell erkannte, dass dies die effektivste Waffe seines Propagandaapparates war. Viel Zeit wurde deshalb darauf verwandt, das Filmmaterial zu sichten und jene Sequenzen auszusortieren, die für die Ziele des Propagandaministeriums ungeeignet erschienen oder aber als militärisch "geheime" Information eingestuft wurden.  Zudem bestand eine Prämisse darin, keine Aufnahmen schwer verwundeter oder toter deutscher Soldaten zu zeigen und das Ausgangsmaterial für die Wochenschauen erfuhr eine mehrfache Zensur sowie Kontextualisierung durch Montage, Kommentar und Musik. Perfide Konstruktionen entstanden dabei, wenn beispielsweise der Einmarsch Hitlers ins besetzte Kopenhagen mit dem Kommentar "zum Schutze der norwegischen und dänischen Neutralität" betitelt und das Filmmaterial so angeordnet wurde, als hätten keine Kampfhandlungen sondern vielmehr "Verbrüderungsszenen" zwischen Deutschen und Dänen stattgefunden und zudem suggeriert wurde, die deutschen Soldaten seien freudig von der Bevölkerung Kopenhagens in Empfang genommen worden; ganz im Gegensatz zu der eigentlich feindlichen Besetzung des Landes. Auch wurde durch die Kontextualisierung der Filmsequenzen die nationalsozialistische Ideologie weiter verbreitet, was sich u.a. darin zeigt, dass von Beginn an antisemitische und rassistische Töne sowie die Instrumentalisierung von Aufnahmen zur Denunziation von Juden oder Schwarzen den Stil der Wochenschauen prägten.

Weitere Beiträge befassen sich in dem Kapitel "Ästhetik und Technik" zudem detailliert mit Untersuchungen zu Kameraführung, Schnitt, Farbe und Musik, deren ganz bewusster Einsatz  für die Wirkung der Propagandafilme von Bedeutung war.

In einem nächsten thematischen Schwerpunkt befassen sich die Autoren des Sammelbandes mit "Fremd- und Feindbildern" und zeigen auf, wie durch gezielte Fotografien von PKs antipolnische und antijüdische Ressentiments propagiert wurden. Anhand zahlreicher Beispiele wird dem Leser vor Augen geführt, wie beispielsweise Polen von der NS-Propaganda angeklagt wurde. So zeigt eine Doppelseite der von deutschen Regierungsstellen hergestellten Broschüre "Polnische Blutschuld" beispielsweise schockierende Bilder toter Zivilisten mit der Betitelung "Nur weil sie Deutsche waren, wurden sie von den Polen hingeschlachtet", wodurch die "Bestialität" der Polen propagiert wurde.  Im Anschluss daran nehmen die Autoren das Thema "Propaganda für das Ausland" in den Blick und stellen dabei u.a. heraus, wie die Wehrmacht mit Hilfe der NS-Auslandsillustrierten "Signal" ihre Sympathiewerbung steuerte.

In einem weiteren Abschnitt legt der Band Grundlagen für eine vergleichende Perspektive auf die Kriegspropaganda über das NS-Regime hinaus und nimmt den Blick auf Inhalte und Strategien alliierter Propaganda in Ost und West.

Das letzte Kapitel befasst sich abschließend mit der Fragestellung, inwieweit die Propagandabilder des Krieges nach 1945 wiederaufgenommen und in Film und Fernsehen wieder verwendet wurden. Hierbei werden sowohl die Fernsehserie "Das Dritte Reich" von 1960/61 als auch die Verwendung des Bildmaterials in Fernsehdokumentationen näher betrachtet.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es sich bei dem Sammelband "Die Kamera als Waffe" um eine Fülle an strukturierter, informativer Beiträge handelt, die den Leser zunächst umfassend in die Thematik einführen und dann verschiedene Aspekte vertieft analysieren. Die Untermauerung der Artikel durch anschauliche Beispiele und zahlreiche Abbildungen lassen den Leser die theoretischen Überlegungen der Autoren einwandfrei nachvollziehen


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