Verlag: Urachhaus, 3. Aufl. 2012
224 Seiten, 12,50 Euro
ISBN: 3825174522
Verlag: Lit Verlag, Berlin 2010
140 Seiten, 16,90 Euro
ISBN: 978-3-643-10821-0
Verlag: Wallstein Verlag, Göttingen 2011
183 Seiten, 19,90 Euro
ISBN: 978-3835308992
Verlag: Böhlau Köln u.a., 2006
1121 Seiten
74.90 Euro
ISBN: 3-412-32905-3
Nur wenige Untersuchungen haben sich bislang den Erfahrungsgeschichtender ‚Halbjüdinnen’ und ‚Halbjuden’ im Nationalsozialismus gewidmet.
Dafür gibt es mehrere Gründe, wie Sonja Grabowsky in ihrer 2012 veröffentlichten Dissertation herausarbeitet. Zum einen war die Gruppe der sogenannten ‚Mischlingsjuden’oder ‚Halbjuden’ verhältnismäßig klein. In einer Volkszählung von 1939 zählte man etwa 70.000 ‚Mischlinge ersten Grades’, das entsprach etwa 0,09 Prozent der Bevölkerung. Zudem bildeten sie aufgrund der Verschiedenheit der Familienkonstellationen und Religionszugehörigkeit keine homogene Gruppe. Nur ein geringer Prozentsatz verstand sich als religiös jüdisch, 78 Prozent der Kinder aus den sogenannten ‚Mischehen’ gehörten einer christlichen Konfession an. Auch die Verfolgungsgeschichten und die Wahrnehmung der Zeit des Nationalsozialismus unterscheiden sich innerhalb der Gruppe bis heute zum Teil wesentlich. Ein gemeinsames kollektives Gedächtnis der Verfolgung existiert offenbar nicht.
Die Zuschreibung als ‚Mischling’ und ‚Halbjude’ war ein von außen übergestülptes soziales Konstrukt der Nationalsozialisten. Dennoch hatte die Klassifizierung für die Betroffenen häufig nicht nur Bedeutung während der NS-Zeit, sondern hat auch das Leben nach 1945 weiterhin geprägt.
Dies arbeitet Grabowsky in ihrer Studie anhand von Interviews mit Menschen heraus, die aufgrund der Rassekategorien der Nationalsozialisten zu ‚Mischlingen 1. und 2. Grades’ gehörten. Von 16 Interviewpartnern hat sie für die vorliegende Studie sechs Interviews ausgewählt. Alle Betroffenen hatten jeweils einen jüdischen und einen nicht-jüdischen Elternteil, die meisten waren vor der NS-Zeit weniger in ein jüdisches als in ein nicht-jüdisches Umfeld eingebunden. Ab 1933 wurden sie jedoch sukzessive aus der Mehrheitsgesellschaft ausgestoßen und ihnen mit dem Konstrukt ‚Mischling’ oder ‚halbjüdisch’ eine neuer Status aufgezwungen.
Das vereinende Merkmal dieser heterogenen Gruppe ist die Zerrissenheit, die Ambivalenz zwischen der Zuschreibung ‚jüdisch’ und ‚arisch’. Grabowsky stellt dieses Ambivalenzphänomen in den Vordergrund ihrer Untersuchung und untersucht den Zusammenhang der stigmatisierenden Klassifizierung und deren Ausprägung auf die Identität bzw. die Biografie der interviewten Personen. Die Zuordnung ‚Mischling’ hatte nicht nur unmittelbare Konsequenzen für die Betroffenen: Verfolgung, Flucht und auch Lebensgefahr für den jüdischen Teil der Familie, sondern auch Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und -wahrnehmung der Betroffenen. Die Zuschreibung löste innere Zerrissenheit und ein Gefühl des ‚Dazwischen’ aus, "kurz: Ambivalenz in vielerlei Hinsicht" (S. 240) so Grabowsy.
Sie stellt dabei zunächst die demografischen Strukturen und Entwicklung der ‚Mischlinge’ dar. Sie skizziert differenziert und anschaulich die christlich-jüdischen Mischehen seit 1875 und die Rassedefinition der Nationalsozialisten.
Ausführlich erläutert sie zudem das thematische und methodische Vorgehen bei der Interviewführung, hier arbeitet sie wissenschaftstheoretisch die Begriffe ‚Trauma’ und ‚Amivalenz’ auf.
Anhand von Interviewausschnitten wird dann das subjektive Amibivalenz-Verständnis der in den sechs Falldarstelllungen Befragten herausgearbeitet und schließlich zusammengeführt und miteinander kontrastiert. In welchem Maße die Ambivalenz-Erfahrungen auftraten und welche Ausprägung sie nahmen, hat, so schließt Grabowsy, auch mit dem Alter der Betroffenen während des Nationalsozialismus zu tun. Die Erfahrungen der Personen, die zum Zeitpunkt der Verfolgung bereits ein Alter erreicht hatten, in dem sie selbst direkt von den Diskriminierungsmaßnahmen eingeschränkt wurden, unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von denjenigen, die zum Zeitpunkt der Verfolgung noch Kinder waren. Sie waren den "nationalsozialistischen Verordnungen und Gesetzen nicht unmittelbar unterworfen, sondern wurden vor allem durch die familiäre Verfolgung geprägt" (S. 230).
Auch die religiöse Ambivalenz spielt hier eine größere Rolle, das Bestreben beide Religionen und Identitäten in sich zu vereinen.
Mit ihrer Studie hat Sonja Grabowsky sich sehr differenziert mit einer bislang in der Forschung zum Nationalsozialismus wenig beachteten Opfergruppe auseinandergesetzt und die Forschung zur Verfolgungsgeschichte damit um einen weiteren wichtigen Aspekt ergänzt.Rainer Rother und Judith Prokasky (Hg.) (2010), Die Kamera als Waffe. Propagandabilder des Zweiten Weltkrieges
Mit dem umfangreichen Sammelband "Die Kamera als Waffe. Propagandabilder des Zweiten Weltkrieges" liegt seit 2010 ein beeindruckendes Werk vor, das die titelgebende Thematik aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und einen umfassenden Überblick über die aktuellen Forschungen im In- und Ausland gibt. Die Entstehung der Publikation geht auf ein Symposium der Deutschen Kinemathek zurück, bei dem Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen zusammentrafen und über Quellenwert und Wirkung von Bildern des Nationalsozialismus diskutierten sowie die Frage erörterten, inwieweit die Selbstdarstellung der Nationalsozialisten bis heute die visuelle Erinnerung an das "Dritte Reich" prägt. Ausführlich wurden dabei die Arbeit und Vorgehensweise der Propagandaeinheiten der Wehrmacht analysiert, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren. Denn so waren es diese PKs, die aus militärisch geschulten Berichterstattern bestanden und in Wochenschauen und Kompilationsfilmen dafür sorgten, ein Bild des Kriegsgeschehens zu vermitteln, das die Botschaft der NS-Ideologie äußerst wirkungsvoll umsetzte.
In sieben Kapiteln betrachten die Autoren verschiedene Aspekte dieser wirksamsten "geistigen Waffe", wie sie Reichsfilmintendant Fritz Hippler nannte und machen die Wirkungsmechanismen, die hinter der nationalsozialistischen Propaganda steckten, transparent. Nach einem Vorwort der Herausgeber führt Daniel Uziel zunächst in die wichtigen Begrifflichkeiten des Themas ein und gibt dabei einen strukturierten Überblick der verschiedenen Propagandatruppen im NS-Regime, wobei er Stellenwert und Funktionen der verschiedenen Propagandaeinheiten ausführlich erläutert. Darauf folgt Rainer Rothers Beitrag zur Entstehung der Kriegswochenschau, mit dem er das Kapitel "Ästhetik und Technik" einleitet, in dem der Leser über die Entstehungsbedingungen der Propagandafilme und Kriegswochenschauen sowie deren Wirkungsstrategien informiert wird. Nachvollziehbar stellt Rother dar, dass es neben Fotografien in Zeitungen und Illustrierten insbesondere das filmische Bildmaterial war, welches den wichtigsten Bestandteil der Kriegspropaganda ausmachte. Beim Zuschauer wurde aufgrund der bewegten Bilder ein besonders starkes Gefühl des "Dabeiseins" hervorgerufen, weshalb Propagandaminister Goebbels schnell erkannte, dass dies die effektivste Waffe seines Propagandaapparates war. Viel Zeit wurde deshalb darauf verwandt, das Filmmaterial zu sichten und jene Sequenzen auszusortieren, die für die Ziele des Propagandaministeriums ungeeignet erschienen oder aber als militärisch "geheime" Information eingestuft wurden. Zudem bestand eine Prämisse darin, keine Aufnahmen schwer verwundeter oder toter deutscher Soldaten zu zeigen und das Ausgangsmaterial für die Wochenschauen erfuhr eine mehrfache Zensur sowie Kontextualisierung durch Montage, Kommentar und Musik. Perfide Konstruktionen entstanden dabei, wenn beispielsweise der Einmarsch Hitlers ins besetzte Kopenhagen mit dem Kommentar "zum Schutze der norwegischen und dänischen Neutralität" betitelt und das Filmmaterial so angeordnet wurde, als hätten keine Kampfhandlungen sondern vielmehr "Verbrüderungsszenen" zwischen Deutschen und Dänen stattgefunden und zudem suggeriert wurde, die deutschen Soldaten seien freudig von der Bevölkerung Kopenhagens in Empfang genommen worden; ganz im Gegensatz zu der eigentlich feindlichen Besetzung des Landes. Auch wurde durch die Kontextualisierung der Filmsequenzen die nationalsozialistische Ideologie weiter verbreitet, was sich u.a. darin zeigt, dass von Beginn an antisemitische und rassistische Töne sowie die Instrumentalisierung von Aufnahmen zur Denunziation von Juden oder Schwarzen den Stil der Wochenschauen prägten.
Weitere Beiträge befassen sich in dem Kapitel "Ästhetik und Technik" zudem detailliert mit Untersuchungen zu Kameraführung, Schnitt, Farbe und Musik, deren ganz bewusster Einsatz für die Wirkung der Propagandafilme von Bedeutung war.
In einem nächsten thematischen Schwerpunkt befassen sich die Autoren des Sammelbandes mit "Fremd- und Feindbildern" und zeigen auf, wie durch gezielte Fotografien von PKs antipolnische und antijüdische Ressentiments propagiert wurden. Anhand zahlreicher Beispiele wird dem Leser vor Augen geführt, wie beispielsweise Polen von der NS-Propaganda angeklagt wurde. So zeigt eine Doppelseite der von deutschen Regierungsstellen hergestellten Broschüre "Polnische Blutschuld" beispielsweise schockierende Bilder toter Zivilisten mit der Betitelung "Nur weil sie Deutsche waren, wurden sie von den Polen hingeschlachtet", wodurch die "Bestialität" der Polen propagiert wurde. Im Anschluss daran nehmen die Autoren das Thema "Propaganda für das Ausland" in den Blick und stellen dabei u.a. heraus, wie die Wehrmacht mit Hilfe der NS-Auslandsillustrierten "Signal" ihre Sympathiewerbung steuerte.
In einem weiteren Abschnitt legt der Band Grundlagen für eine vergleichende Perspektive auf die Kriegspropaganda über das NS-Regime hinaus und nimmt den Blick auf Inhalte und Strategien alliierter Propaganda in Ost und West.
Das letzte Kapitel befasst sich abschließend mit der Fragestellung, inwieweit die Propagandabilder des Krieges nach 1945 wiederaufgenommen und in Film und Fernsehen wieder verwendet wurden. Hierbei werden sowohl die Fernsehserie "Das Dritte Reich" von 1960/61 als auch die Verwendung des Bildmaterials in Fernsehdokumentationen näher betrachtet.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es sich bei dem Sammelband "Die Kamera als Waffe" um eine Fülle an strukturierter, informativer Beiträge handelt, die den Leser zunächst umfassend in die Thematik einführen und dann verschiedene Aspekte vertieft analysieren. Die Untermauerung der Artikel durch anschauliche Beispiele und zahlreiche Abbildungen lassen den Leser die theoretischen Überlegungen der Autoren einwandfrei nachvollziehen